
Kafka global 2024
Ausstellungs- und Forschungsprojekt
Eröffnung: Mai 2024
Kafka steht wie wenige Autoren für ein existenzielles Schreiben, das Leser/-innen weltweit anspricht; sein Erbe war Gegenstand einer großen kulturpolitischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Deutschland, die Benjamin Balint in Kafka’s Last Trial (2018) dokumentiert hat. Im Zentrum der geplanten Projekte zum 100. Todestag Kafkas am 3. Juni 2024 steht eine Ausstellung, der Außergewöhnliches gelingt. Die drei Einrichtungen mit den weltweit größten Kafka-Beständen – die National Library of Israel (NLI), die Bodleian Library Oxford und das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) – tun sich zusammen, um Kafka als globalen Autor zu begreifen und sein Werk – das je eigene Publikum adressierend – in je lokale Kontexte zu setzen.
Die Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne des DLA wirft Schlaglichter auf (1) Kafkas Herkunft und Leben im Prager Schmelztiegel, (2) Kafkas Wort- und Bildwelten, (3) Kafkas Leser/-innen während und nach Kafkas Lebzeiten, (4) Kafkas Interpret/-innen. Wer war eigentlich dieser Kafka, diese »außergewöhnliche und tiefe Welt«, als die ihn Milena Jesenská in ihrem Nachruf bezeichnete? Die Ausstellung setzt sich mit der Person Kafka in ihrer Zeit auseinander, mit Kafkas Herkunft und seinem Leben im Prager Schmelztiegel, seinem Leben im kulturpolitischen Kontext einer Dreivölkerstadt also, in deren Zentrum mehrheitlich Deutsch, an der Peripherie aber eher Tschechisch gesprochen wurde. Sie befasst sich mit seinen Prägungen (Familie, Frauen, Judentum, Religion, Moderne, Technik, Kino) und dem literarischen Umfeld der Prager deutschen Literatur, die in einer kleinen isolierten Sprachgemeinschaft entsteht. Sie wirft einen tiefen Blick in Kafkas ›Werkstatt‹, auf die Bücher, die er gelesen, und auf die Texte und Bilder, die er geschrieben und gezeichnet hat, auf seine Lektüren einerseits und seine literarischen Verfahren andererseits also. Die Ausstellung spürt der Kafka-Lektüre und der produktiven und künstlerischen Rezeption seiner Werke nach. Ohne Zweifel gehört Kafka heute zu den meistgelesenen, aber auch zu den nach wie vor rätselhaftesten Autoren. Wie wurden und werden die Texte dieses Weltautors gelesen? Wo und wie verändern sich diese Texte je nach dem Kontext, dem Ort und der Zeit ihrer Lektüre? Von der ungebrochenen Popularität und Aktualität Kafkas zeugen nicht nur die Lektüren, sondern auch die zahllosen Umgestaltungen seiner Texte in die verschiedensten Genres und Medien. Sie werden präsentiert auf dem Theater und im Film, werden transformiert ins Bild, in Comics und Musik, werden adaptiert von Video- und Computerspielen. Was macht Kafka und seine Texte so attraktiv für die Übertragung in andere Medien, für die Umsetzung sogar ins Spiel? Warum und wie wird seine Literatur Inspiration für andere Medien? Und schließlich öffnet die Ausstellung den Raum für aktives Befragen Kafkas. In einer Art ›Kafka-Lab‹ können Besucher/-innen selbst an interaktiven Stationen ihre Fragen an Kafka und seine Texte richten: In welcher Beziehung stand Kafka zu Frauen, zur Welt, zum Judentum, zum eigenen Körper? Wie stand er zu den neuen Medien seiner Zeit? Wie reiste Kafka?
Gezeigt werden in der Marbacher Ausstellung über 500 Manuskriptblätter, Briefe, Fotos und Erinnerungsstücke von Kafka aus den Beständen des DLA – darunter der ganze Prozess und kleinere Erzählungen wie Richard und Samuel und Der Dorfschullehrer, der Brief an den Vater [Depositum] sowie Briefe an Grete Bloch (und indirekt über sie an Felice Bauer), Max Brod, Josef David, Willy Haas, Milena Jesenská, Ottla Kafka, Robert Musil, Emmy Salveter, René Schickele, Hedwig Weiler und Felix Weltsch. Ergänzt werden sie durch Lese- und Rezeptionsspuren von Kafka-Leser/-innen, die sich in den Autorenbibliotheken und Archivbeständen von Kafkas Zeit bis hin in die Gegenwart finden, und durch multimediale Interpretationen und Adaptionen seiner Werke (Kafka in Bildern, in gesprochenen Worten, in laufenden Bildern und bewegten Körpern). Eine zentrale Rolle wird in der Marbacher Ausstellung auch der Vorlass des Kafka-Forschers Hartmut Binder spielen, der dem DLA eine große, Kafka und andere Prager Schriftsteller betreffende Büchersammlung, die Sammlung der oft seltenen ›Verlorenen Bücher‹ Kafkas und Originalfotografien von Kafka, seinen Eltern und von Ottla (mit Tochter und Ehemann) übergeben hat.
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