Ausstellungseröffnung am 4. März: »Zettelkästen. Maschinen der Phantasie« Mit Navid Kermani, Norbert Miller und Meike Werner. Zum 250. Geburtstag von Jean Paul
»Bei Feuer sind die schwarzeingebundnen Exzerpten zuerst zu retten«, wies der Dichter Jean Paul seine Frau vor Antritt einer Reise im Jahr 1812 an. Rund 12.000 Manuskriptseiten haben sich von seiner Materialsammlung erhalten, seine Notate waren ihm Quelle der Inspiration, Herzstück seiner literarischen Werkstatt. Die Ausstellung »Zettelkästen. Maschinen der Phantasie« im Literaturmuseum der Moderne ergründet die Geheimnisse dieser zerbrechlichen Ordnungssysteme und ihrer Maschinisten, darunter einige der berühmtesten: Jean Paul, der als poetischer Vater der Zettelkastentechnik gelten kann und am 21. März seinen 250. Geburtstag feiert, Arno Schmidt und Walter Kempowski, Hans Blumenberg, Friedrich Kittler, Niklas Luhmann und Aby Warburg.
Zur Eröffnung spricht der Literaturwissenschaftler Norbert Miller mit der amerikanischen Germanistin Meike Werner über den Briefwechsel des Jean-Paul-Herausgebers Eduard Berend mit Heinrich Meyer (18 Uhr) und mit dem Schriftsteller Navid Kermani über Jean Pauls dichterisches Schreiben (20 Uhr). Die Ausstellung wurde von Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter entwickelt; das gestalterische Konzept haben Diethard Keppler und Markus Wichmann (Grafik) und Space 4 (Architektur) entworfen.
Hans Blumenbergs Karteikarten führen als Leitfaden durch die Ausstellung, die die unterschiedlichsten Zettel-Labyrinthe von 30 Schriftstellern und Wissenschaftlern vorstellt. Die Ausstellung erzählt von Materialsammlungen und ihren Urhebern, von Gedankensplittern, Ideen, Skizzen und der Spannung zwischen Ordnung und Unordnung. Zettel zerlegen die Welt der Literatur und Wissenschaft, sind Rest oder Fragment, haben den Charakter des Vorläufigen oder »Nochnichterfüllten«. Als geistiges Ordnungsprinzip zeigen Zettelkästen die innere Physiognomie ihrer Besitzer: Siegfried Kracauer hat das Zettelschreiben im Café zur geistigen Überlebensstrategie ausgebaut; für Niklas Luhmann ist ein Zettelkasten kreativer Kommunikationspartner im Forschungsprozess, der systemisch zu nicht naheliegenden Gedanken führt: Ohne die Zettel, also allein durch Nachdenken, würde ich auf solche Ideen nicht kommen. Aby Warburg schrieb zu den Fotografien, die er für seinen Bilderatlas mit Nadeln auf schwarzes Tuch steckte und immer wieder neu arrangierte, um eine letzte Ordnung zu finden: Habe angefangen, die ganze Götterwelt auszuschneiden. Hermann Hesse sammelte etwa 5.000 Adressen in Holzkästen und notierte die Besonderheiten der Adressaten: War erst Anti-Hesse, denkt jetzt anders oder schrieb 61 rührend, liebt Schiller. Eckhard Henscheid schreibt von seinen träumenden Zetteln, die unscharf auf Niederkunft hoffen. Und während Wilhelm Genazino seine Zettelsammlung so begründet: Die Angst, dass mich eines Tages das Schreiben selbst verlassen würde, schreibt Walter Kempowski in späteren Jahren über seine ersten schriftstellerischen Versuche: Alles nichts wert, was damals entstand. Erst mit den später erwähnten Zettelkästen begann es.
Die Pressekonferenz zur Ausstellung wird am 28. Februar um 11 Uhr im Berthold-Leibinger-Auditorium (Literaturmuseum der Moderne) stattfinden. Um Anmeldung wird gebeten: presse@dla-marbach.de.
Die Ausstellung wird am 4. März im Literaturmuseum der Moderne eröffnet. Das Literaturmuseum der Moderne hat an diesem Tag von 16.30 Uhr an geöffnet, der Eintritt in die Ausstellung und Veranstaltungen (18 Uhr im Berthold-Leibinger-Auditorium und 20 Uhr im unteren Foyer des Literaturmuseums der Moderne) ist frei.
Zur Ausstellung erscheint der Katalog MK 66: Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. Herausgegeben von Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter. Mit Beiträgen von u. a. Wilhelm Genazino, Alissa Walser, Jochen Missfeldt, Hans Ulrich Gumbrecht, Hektor Haarkötter, Norbert Miller und Petra McGillen. 2013. Ca. 300 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen.
Begleitend zur Ausstellung finden zwei weitere Ausstellungen statt: ›fluxus 24: »du sagst ja immer, wir sind ein Gespräch«. Vorlassbesichtigung bei Tankred Dorst und Ursula Ehler‹ (18. Februar bis 2. Juni) – ›fluxus 25: Objekt digital. Friedrich Kittlers Speicherplatz‹ (13. Juni bis 22. September 2013)
Im Rahmen des Jean-Paul-Jahres 2013 des Deutschen Literaturarchivs Marbach, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Staatsbibliothek zu Berlin.
Kontakt
Alexa Hennemann
Leiterin Referat Kommunikation
Telefon +49 (0) 7144 / 848-173
E-Mail alexa.hennemann@dla-marbach.de
Dr. Dietmar Jaegle
Stv. Leiter Referat Kommunikation / Publikationen
Telefon +49 (0) 7144 / 848-604
Telefax +49 (0) 7144 / 848-191
E-Mail dietmar.jaegle@dla-marbach.de
Vinca Lochstampfer, M.A.
Referentin Social Media / Tourismus, Marketing
Telefon +49 (0) 7144 / 848-103
Telefax +49 (0) 7144 / 848-191
E-Mail vinca.lochstampfer@dla-marbach.de
Frederike Teweleit-Lutze
Mitarbeiterin Veranstaltungsmanagement
Telefon +49 (0) 7144 / 848-120
Telefax +49 (0) 7144 / 848-191
E-Mail frederike.teweleit-lutze@dla-marbach.de
Katja Kesselheim, M.A.
Sekretariat
Telefon +49 (0) 7144 / 848-174
Telefax +49 (0) 7144 / 848-191
E-Mail presse@dla-marbach.de