Autorenlesungen. Digitalisierung, Archivierung, Erschließung und Präsentation von Dokumentaraufnahmen deutschsprachiger Autorenlesungen
In seiner ersten Frankfurter Poetikvorlesung wendet sich Oskar Pastior einigermaßen salopp ans Publikum: »Biete also Arbeit an. Hören Sie. Ich biete Ihnen meine Arbeit Ihres Hörens an.« Literatur, ihre philologische Bearbeitung und ihre archivarische Bewahrung lassen sich, generalisiert man dieses Angebot des wohl bedeutendsten Lautpoeten der letzten Jahrzehnte, nicht mehr allein über das Medium Schrift bewerkstelligen. Gerade die Stimme – ohnehin über weite Strecken der Literaturgeschichte das entscheidende poetische Medium – und ihre analogen und digitalen Speichermedien sind spätestens seit Erfindung des Radios aus der literarischen Moderne nicht mehr wegzudenken. Das Kompressionsverfahren mp3 beschleunigte die Entwicklung hin zu einer nahezu ubiquitären Verfügbarkeit von Klang im WWW. Der klassischen Klage Friedrich Nietzsches, der deutsche Leser habe seine Ohren »in’s Schubfach gelegt«, steht mittlerweile ein enormes Datenpotenzial korrigierend gegenüber.
Im Projekt »Autorenlesungen« hat das DLA die Arbeit des Hörens angenommen und jenen mitunter flüchtigen und unzureichend ausgezeichneten Audiodaten im Netz ein auf Dauer und Wissenschaftlichkeit ausgerichtetes, quellen- und metadatenbezogenes Tonarchiv hinzugefügt, indem es ca. 1000 Tondokumente aus sechs verschiedenen Sammlungen aus den eigenen Beständen digitalisiert, archiviert, erschlossen und online sowohl einer interessierten Öffentlichkeit als auch der Wissenschaft zugänglich gemacht hat. Neben der Sicherung und Katalogisierung der analogen Tonträger, geschah dies online auf zwei Plattformen: Zum einen wurden die Digitalisate auf der in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin betriebenen Webseite www.dichterlesen.net zum freien Streaming angeboten, zum anderen wurden sie im Marbacher Onlinekatalog nachgewiesen. Zu den einzelnen Aufnahmen wurden neben den sowohl technischen als auch bibliothekarischen Metadaten kurze, literaturwissenschaftlich einordnende Texte verfasst.
Jenseits der professionell erstellten Radiomitschnitte, Fernsehaufzeichnungen oder Studioproduktionen von Autorenlesungen interessierte sich das Projekt hauptsächlich für quasi amateurhaft entstandene Dokumentaraufnahmen meist deutschsprachiger Autorenlesungen. Gerade die Erhaltung dieser Quellengattung ist akut gefährdet, weil sie in der Regel nicht gezielt archiviert wird und der Wissenschaft nur in geringem Maße zur Verfügung steht. Dabei droht der Forschung ein entscheidender Teil des literarischen Lebens verloren zu gehen, der es erlaubt, eine Vielzahl von literarästhetischen, werkbiographischen oder literatur- wie kultursoziologischen Fragestellungen zu formulieren.
Die ausgewählten Sammlungen wurden im Hinblick auf beispielhafte Veranstaltungstypen, Zeiträume, Überlieferungswege und poetologische Positionen ausgewählt:
Zwei Veranstalter:
Zwei Verlage:
Zwei Nachlässe:
Das Projekt (Laufzeit 11/2017 - 03/2020) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes - eHeritage unterstützt.
Kontakt
Andreas Kozlik, M.A.
Referent Mediendokumentation
Telefon +49 (0) 7144 / 848-360
E-Mail mediendokumentation@dla-marbach.de