Liest du noch oder schreibst du schon? Fanfiction im Archiv
Manchmal liest man eine Geschichte, die so packend ist, dass man wünschte, man könnte für immer weiterlesen – oder eine, die einem so gegen den Strich geht, dass man am liebsten korrigierend eingreifen würde. In einer Fanfiction ist beides möglich. Die einzige Grenze ist die eigene Kreativität. Begonnen offline, als analog ausgetauschte Geschichten in von Fans selbst gedruckten Magazinen (sogenannten Fanzines), wandelte sich das Medium Fanfiction zu einer starken Online-Präsenz. An Fanfiction lassen sich sowohl Praktiken des Lesens und der Rezeption als auch des Schreibens studieren. Fanfiction ist nicht nur kreativ, derivativ, sozial und interaktiv, sondern auch subversiv – zugleich Liebesbrief an und Rebellion gegen das Original.
Auf diese Art bearbeiten Fans nicht nur Harry Potter oder das Marvel Universum, sondern auch Inhalte, die im DLA gesammelt werden: Fans erzählen Hesses Demian neu, machen aus der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller eine Romanze. Fanfiction betrachtet bekannte und beliebte Texte aus einer neuen Perspektive und erschließt sie für ein (nicht nur) neues, junges Publikum. Als kreatives Medium im Umgang mit Literatur ist Fanfiction auch für das Deutsche Literaturarchiv von Interesse.
In diesem Kontext entstehen mit dem Projekt ›Liest du noch oder schreibst du schon? Fanfiction im Archiv‹ eine Crowdsourcing-Plattform für Praxisprojekte, ein Workshop zum Thema und ein archivarischer Zugang zum Material. Das Konzept Fanfiction wird dabei in seiner Komplexität erfasst: als soziale, kollaborative, subversive Praxis im stetigen Fluss.
Die Mehrheit der Fanfiction-Konsumierenden ist jung. So gehören über 78 Prozent der 7,7 Millionen Accounts des globalen Fanfictionarchivs Archive of Our Own Menschen unter 35. Gerade in dieser Zeit, wo das Leseverhalten jüngerer Generationen immer wieder zum Thema wird, ist es besonders wichtig zu beobachten, wie junge Leser/-innen Literatur aufnehmen und verarbeiten. Fanfiction als kreativer Zugang zu bestehender Literatur erlaubt es, über Lesen und Schreiben nachzudenken und besonders solche Orte in den Blick zu nehmen, an denen sich die beiden Aktivitäten begegnen.
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