Literatur digital lesen: Forschung in Aktion
Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Wissensmedien Tübingen realisierte das Deutsche Literaturarchiv Marbach im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Landes Baden-Württemberg ein Projekt, das neue Perspektiven auf Fragen des digitalen und analogen Lesens – und damit auch auf Fragen der ästhetischen Wirkung von Literatur und der Leseförderung – ermöglicht. Im Zentrum stand dabei ein partizipatorischer Ansatz, der Spuren des digitalen Lesens im Kontrast zu denen des analogen Lesens quantitativ und qualitativ erforschte. Dafür boten wir virtuelle und in den Museen und Lesesälen des Deutschen Literaturarchivs reale Leseräume an, um die notwendigen Daten offensiv durch Laborsituationen zu erzeugen und zu dokumentieren und sie mit ihrer Erforschung rückzukoppeln, so dass jeder Besucher und Benutzer an einem Forschungsprojekt im Prozess teilnehmen konnte.
In einem ersten Schritt wurden bis 2021 zwei Leseräume aufgebaut und mit ersten Rückkoppelungen zur Forschung, aber auch zur Literaturdidaktik verbunden: a) ein virtueller Leseraum, der im Internet frei zugänglich war und mit interaktiven Leselaboren u.a. zu Textverständnis, Textwahrnehmung, Lesetypen und Lesesituationen verbunden war, und b) ein realer Leseraum im Literaturmuseum der Moderne, der die Wechselwirkungen zwischen materiellem und immateriellem, struktur- und sinnorientiertem Lesen, reproduzierbarem und unikalem Text näher untersuchte. Im Mittelpunkt beider Leseräume standen Texte aus den Marbacher Beständen, die als Digitalisate sowohl als Volltext wie als Bild zur Verfügung gestellt wurden.
Kooperation und Vorarbeiten:
Das IWM steuerte seine psychologische, medienwissenschaftliche und statistische Kompetenz, das DLA seine digitale, archivarische, museologische und literaturwissenschaftliche Kompetenz bei. Beide Einrichtungen hatten bereits erste Schritte für eine solche Zusammenarbeit unternommen: Im Januar 2019 hatten sie gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik Frankfurt und dem Freien Deutschen Hochstift/ Goethe-Haus Frankfurt ein »Netzwerk literarische Erfahrung« gegründet; im Februar 2019 hatten das IWM und das DLA gemeinsam den Fragebogen »Lektüren« aufgelegt, mit Hilfe dessen Besucher des DLA, Studierende, Leser in Stadtbibliotheken und Buchhandlungen im Hinblick auf ihr Lektüreverhalten befragt wurden. 2020 wurden im Rahmen der Ausstellung Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie erste empirische Leselabore realisiert, die das Verhältnis von Poesie und Blickrichtung, Herzschlag, Stimme, Gesten und Selbstreflexion näher untersuchten.
Koordination und Kontakt
Forschungsreferat
Telefon +49 (0) 7144 / 848-175
E-Mail forschung@dla-marbach.de