(1) Wie Literatur entsteht: Literatursoziologie
Das DLA beherbergt 53 Verlagsarchivbestände und 23 Zeitschriftenarchive, die darüber Auskunft geben, wie Literatur gemacht wird, welche Akteure jenseits des Autors daran beteiligt sind und welcher Prozesse es zu diesem Zweck bedarf. Literatursoziologische Ansätze, die im französischen Sprachraum durch das Werk von Pierre Bourdieu und im amerikanischen Sprachraum durch eine aktive Kultursoziologie einige Prominenz genießen, hierzulande aber nur wenig entwickelt sind, helfen weiter, um das Entstehen von Literatur aus Verlags- und Zeitschriftenarchiven zu beschreiben. Internationale Perspektiven spielen in diesem Forschungsbereich im Jahr 2025 eine wichtige Rolle, die sich aus der hohen Mehrsprachigkeit der Bestände des DLA und den starken internationalen Verflechtungen der Akteure der deutschsprachigen Literatur im 19., 20. und 21. Jahrhundert ergeben.
Seit Mai 2024 begeht das DLA das Kafka-Jahr 2024 gemeinsam mit zahlreichen internationalen Partnern unter dem Aspekt der Entstehung – und des Fortlebens – von Literatur. Die virtuelle Seminarreihe zu »Kafkas Echo« in Kooperation mit der National Library of Israel und der Bodleian Library, Oxford, beleuchtet verschiedene Facetten der weltweiten Rezeption von Kafkas Werk und seine anhaltende internationale Bedeutung. In verschiedenen Terminen bis April 2025 diskutieren Referent/-innen aus Nord- und Südamerika, Europa und Asien die Kontexte der Produktion von Kafkas Werk außerhalb des deutschsprachigen Raums, Übersetzungsmethoden, populäre und akademische Lesepraktiken, Kafkas postkoloniale Rezeption, den digitalen Kafka und vieles mehr. Aufzeichnungen der Vorträgen aus dem Jahr 2024 werden online zur Verfügung gestellt (https://youtube.com/playlist?list=PL2sE6vqXIDSCKULbsMOAdRKpkHSIQM9tp&si=u-56bKyiI44spj66). Die Seminarreihe wird gefördert durch das Auswärtige Amt.
Die Tagung »Die Modernen. Skandinavisch-deutsche Literaturbeziehungen, 1870-1930« (19.–21.02.2025), in Kooperation mit dem Theodor-Fontane-Archiv Potsdam und der Schwedischen Akademie Stockholm, widmet sich der Epoche des sogenannten ›Modernen Durchbruchs‹ um die Jahrhundertwende. Die Jahre zwischen 1870 und 1930 stellen eine besonders interessante Phase für die Untersuchung von Literaturbeziehungen dar, da in dieser Zeit zum einen institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen etabliert wurden, die das skandinavische und deutsche Literatursystem bis heute prägen. An dieser Stelle setzt die Tagung an, die die Frage, wie diese Literaturbeziehungen genau beschaffen waren, vor dem Hintergrund aktueller Forschungsansätze und ausgehend von Archivbeständen zu beantworten sucht.
Aus der Workshopreihe »Globale Literaturgeschichte«, die schon seit 2021 den Blick auf das Geschäft des Verlegens richtet, ist eine universitäre Arbeitsgruppe entstanden, die sich der Verlagsarchivforschung widmet und Forschungsprojekte zu Fragen hinsichtlich der Entwicklung von Literatur, der Verlagskommunikation, der Netzwerkbildung und der Unternehmenssteuerung entwickelt. Die internationale Tagung »Schocken and beyond. Diversity, economics and cultural heritage in transatlantic publishing« (08.–10.10.2025) in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow und der Universität Münster geht in diesem Rahmen von aktuellen Debatten um Schocken Books aus, um grundlegende Entwicklungen im amerikanischen und internationalen Verlagswesen und in der Buchbranche zu untersuchen. Die Tagung wird von der VolkswagenStiftung gefördert.
Im Jahr 2024 wurde ein neuer Schwerpunkt in dieser Forschungslinie entwickelt, der sich populären Literaturformen widmet und deren Stellenwert im Archiv widmet. Nach erfolgreichen international besetzten Tagungen zu diesen Themen im Jahr 2024 (»Which Market? Popular Writing Between Entertainment and/or Edification« (14.–15.11.2024) und »Comic und Graphic Novel: Erzählen in Bildern« (21.–22.11.2024), beide gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM) wird 2025 die Tagung »›Liest du noch oder schreibst du schon?‹ Fanfiction im Archiv« (20.–21.03.2025) in Kooperation mit der Karl-Eberhard-Universität Tübingen stattfinden. Die Tagung setzt sich mit Fragen von Kanonisierungsprozessen durch den Prisma der Fanfiction, des Potenzials der Archivierung von Fanfiction für Big Data Analysen und andere digitale Forschungsmethoden sowie den Herausforderungen, die eine durch nicht kommerzielle, gemeinschaftliche, kollaborative Entstehungsprozesse definierte Gattung für die Forschung und für die Archivierung darstellt, auseinander.
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