Zur Architektur des Schiller-Nationalmuseums
Das von Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle entworfene, 1903 eröffnete Schiller-Nationalmuseum reagiert auf seine ursprüngliche Nutzung als Archiv, Bibliothek, Museum, Fest- und Forschungsstätte durch Offenheit in der Definition, Ausformung und Ausstattung der einzelnen Räume und durch Klarheit im Großen, in der architektonischen Rhetorik des Bauwerks. Die exponierte Lage auf einem Felsen über dem Fluss, in einem Platanenwäldchen bezeichnet seit der Antike jene außergewöhnlichen Orte, die den Göttern nahe sind: Parnass, Arkadien, heiliger Hain.
Der Kuppelbau spielt auf das Pantheon in Rom an und bündelt Bedeutungen wie Erhebung, Inspiration, Himmelsnähe, Ewigkeit – wie bei spätbarocken Jagd- und Lustschlössern wie Schloss Solitude. Der zentrale Schillersaal ist mit seinem Fußbodenmosaik, den Reliefs zu Schillers Balladen, der Kassettendecke und der starken Überhöhung als Festsaal ausgebildet, während die mit Linoleum belegten Räume in den Seitenflügeln kleiner, schmuckärmer sind. Urnen, gesenkte Fackeln, Palmzweige, eine Lyra und ornamentale Vokabeln für Unendlichkeit und Unsterblichkeit (Mäander, laufende Hunde, Girlanden, Rosetten, Sonnen und Sterne) bestimmen den Bauschmuck.
Das Museum verortet sich mehrfach in der schwäbischen Gedächtnislandschaft: Eine Sichtachse verbindet die überlebensgroße Schillerbüste im Foyer nach Osten hin mit dem Schillerdenkmal im Schillerhain; das Denkmal spiegelt sich in den Fenstern, wirft seinen Schatten auf den Vorplatz. Im Westen erstreckt sich die Aussicht hin zum Asperg und weiter zum Michaelsberg, zwei für die württembergische Literatur zentralen Plätzen. Ideale irdische Wohnstätte eines Dichterfürsten, allerdings ohne hervorgehobenes Portal, ohne weitläufigen Außen- und Innentreppen – von außen wie ein Pantheon, offenbart sich das Schiller-Nationalmuseum von innen als ein abgedunkeltes Himmelszelt: Reliquienverehrung mit Augenzwinkern.
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