Deutsches Literaturarchiv Marbach erwirbt Liebesbriefe von Ernst Kreuder

Man könnte von einer literarischen Sensation sprechen, wäre der Autor Ernst Kreuder nicht zunehmend in Vergessenheit geraten: Aus dem Nachlass der 2014 in der Nähe von Darmstadt verstorbenen Waltraud Liß konnte das Deutsche Literaturarchiv Marbach jetzt ein Konvolut von mehr als 500 Briefen des Schriftstellers erwerben, der 1953 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde. In den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Kreuder (1903-1972) zu den bekanntesten neueren Autoren. 1946 machte ihn seine Erzählung »Die Gesellschaft vom Dachboden« schlagartig berühmt. Es folgten u. a. die Romane »Die Unauffindbaren« (1948), »Herein ohne anzuklopfen« (1954) und »Hörensagen« (1969), die in den führenden Feuilletons als Meisterwerke gepriesen wurden. Anfang 1951 lernte er die um ein Vierteljahrhundert jüngere Waltraud Liß kennen. Mit einigen Unterbrechungen dauerte die Liaison der beiden 18 Jahre.
Neben intimen Botschaften enthalten Kreuders Briefe an die Freundin ausführliche Berichte über die Entstehung seiner Romane und den Literaturbetrieb der jungen Bundesrepublik, die Etablierung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Kreuder schildert Begegnungen mit Alfred Döblin, Hans Henny Jahnn, Hans Erich Nossack, Hilde Domin und Arno Schmidt ebenso wie Erlebnisse auf frühen, vom Goethe-Institut organisierten Reisen nach Afrika, Südamerika und in die Sowjetunion. Waltraud Liß ist ihm Geliebte und Mitarbeiterin. Er nennt sie Snowy, Vally, gelegentlich auch Phally und schreibt ihr über buchstäblich alles – seien es erotische Phantasien oder Lektüren, helle Biere oder »wirklich brüderliche« Kollegen wie Heinrich Böll, mit dem er sich 1964 gemeinsam in Irland aufhält. Diese Freundschaft hindert ihn allerdings nicht daran, der omnipräsenten Gruppe 47 aus dem Weg zu gehen. »Die ersten SPIEGEL seit der Abreise«, meldet er am 30. September 1964 ins heimische Darmstadt, »aufregend!! Ich hoff, Du hast Die Seite über Karlheinzius Deschner gelesen mit Foto, der in seinem neuen Buche Böll, Enzensberger, Frisch, Bachmann, Johnson usw. fertig macht, die Gruppe 47 Schleimscheißer nennt, und Belzner und mich lobt.«
Bei alledem ist Kreuder durchaus nicht isoliert, sondern zeitweise fast ein Star. 1953 heißt es etwa über eine Kölner Veranstaltung des Rowohlt-Verlags: »die Hitze war mörderisch, und viele Autoren standen. Als wir dem 1000-köpfigen Publikum vorgestellt wurden, mussten wir einzeln auf einen Stuhl steigen. Bei mir sagte Vater Rowohlt, ich sei nicht nur der Autor des ›Dachbodens‹, sondern einer der berühmtesten Biertrinker. Großer Applaus. […] Ja, das war die Welt der Öffentlichkeit, und man fühlt sich mal ganz wohl dabei. Zu schweren Saufereien kam es nicht.«
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