›Hands on! Schreiben lernen, Poesie machen‹
Ausstellungseröffnung am 29. September 2019
Mit Rotraut Susanne Berner, Jan Bürger, Heike Gfrereis und Sandra Richter
»Es fällt auf, dass die Handschrift umso mehr zum Streitthema wird, je weniger sie gebraucht und je mehr sie durch elektronische Verfahren ersetzt wird«, erklärt der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger im Marbacher Magazin zur Ausstellung ›Hands on!‹. Im Mittelpunkt der Ausstellung, die auf eine Anregung Enzensbergers zurückgeht, stehen die Aneignung und Entwicklung der individuellen Handschrift. Gezeigt werden Schreibübungen, Schulhefte, erste Gedichte und Briefe vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, von Friedrich Schiller bis Felicitas Hoppe. Wie haben Schriftstellerinnen und Schriftsteller schreiben gelernt? Wie wurden aus den Buchstaben der ABC-Schützen erste Texte? Und: Was machen Autoren, um diese Buchstaben-Gemachtheit nicht zu vergessen, wie entwickeln sie ihr eigenes poetisches System? Aber auch das scheinbare Gegenteil der Handschrift ist zu sehen: Oskar Pastiors Buchstabengewichte, ein Grammatik-Brettspiel von Sibylle Lewitscharoff und Enzensbergers Poesieautomat, Beweis für die maschinelle Imitierbarkeit individueller Phantasie.
Zur Ausstellungseröffnung spricht Jan Bürger mit der Kinderbuchautorin und Illustratorin Rotraut Susanne Berner über das Schreiben mit der Hand. Die Ausstellung hat Heike Gfrereis zusammen mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach kuratiert und mit Diethard Keppler und Andreas Jung gestaltet.
›Hands on!‹ zeigt mit rund 200 Exponaten Texte, Schulhefte und Kinderbriefe u.a. von Ilse Aichinger, Hans Magnus und Theresia Enzensberger, Ulla Unseld-Berkéwicz, Durs Grünbein, Ernst Heimeran, Erich Kästner, Thomas Kapielski, Alexander Kluge, Eduard Mörike, Judith Schalansky, Lili Schnitzler, Kurt Tucholsky, Yoko Tawada und Wilhelm Waiblinger; zudem ein eigens für die Ausstellung gezeichnetes Alphabet von Cornelia Funke. Anschaulich werden nicht nur Techniken des Schreibenlernens, Schönschreibübungen und die Entwicklung individueller Schreibweisen, sondern auch die vielfältigen Rückwirkungen auf Autor und Text durch die Erweiterung tradierter Schreibutensilien durch technische Geräte.
Gänsekiel, Stahlfeder, Füller, Griffel, Kuli und Bleistift sind mit fließenden, kreisenden oder eckigen, malenden oder rührenden Bewegungen verbunden und mit dem Arm und der Hand. Schreiben ›mit der Hand‹ bedeutet aber nicht nur Schreiben mit Stift und Papier; Schreiben mit Schreibmaschine, PC und Laptop, Tastatur, Maus und Handy verändern den Bewegungsradius und die Haltung unseresKörpers wie auch den Einzugsbereich jenseits des Körperlichen oder selbst Erdachten. Der Nutzung der Schreibmaschine spricht Hermann Hesse anregende Kraft zu, die »kalte, druckähnliche« Schrift unterstütze die Selbstkritik. Ein Mangel an Disziplin, an Formerfüllungswillen oder auch individueller Ausdruckswille lösen dagegen eigenwillige Buchstabenformen und Schreibhaltungen aus. Kafkas lateinisches K und Kleists Kurrent-K etwa unterscheiden sich deutlich von den Ks anderer Schreiber – keines ihrer Ks ist identisch, jedes aber ähnlich, so dass für Kleist und Kafka inzwischen auch digitale Schriftfonds entstanden sind.
Die Ausstellung wird um experimentelle und erforschende Schreibstationen ergänzt: um eine Nadeltext-Wand, ein ›Marbacher Alphabet‹, einen Schreib- und einen Poesiespielraum sowie eine vom Freundeskreis des Deutschen Literaturarchivs geförderte interaktive Installation, in der mit Licht in die Luft und an die Museumswände geschrieben werden kann (»Luftschreiber«).
Die Ausstellung wird am Sonntag, 29. September 2019 um 11 Uhr eröffnet. Im Anschluss können handgeschriebene Kindergeschichten ersteigert und an Ausstellungsstationen die Zusammenhänge zwischen dem Denken und den unterschiedlichen Bewegungen der Hand beim Schreiben erkundet werden. Im Rahmen des »Netzwerks literarischer Erfahrung« wird diese Ausstellung wie schon bei ›Lachen. Kabarett‹ mit Frageheften begleitet (die Auswertung erfolgt in Kooperation mit dem Institut für Wissensmedien, Tübingen).
Die Pressekonferenz zur Ausstellung findet am 26. September 2019 um 11 Uhr im Berthold-Leibinger-Auditorium (Literaturmuseum der Moderne) statt. Um Anmeldung wird gebeten: presse@dla-marbach.de.
Zur Ausstellung erscheint das Marbacher Magazin 167 | Hands on! Schreiben lernen, Poesie machen. Hrsg. von Heike Gfrereis und Sandra Richter. 100 Seiten, zahlreiche farb. Abb. Fadengeheftete Broschur. Marbach a.N.: Deutsche Schillergesellschaft, 2019. ISBN 978-3-944469-43-0. EUR 12,00.
Hands on! Im Englischen bedeutet das: Anpacken, Mitspielen und Ausprobieren. Daraus hat sich im Museumsbereich eine eigene Exponat-Gattung entwickelt, die das klassische »Bitte nicht berühren!« auf den Kopf stellt: das sogenannte Hands-on, das bitte berührt werden soll.
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