
›Dostojewskij und Schiller‹
10. November 2019 bis 16. Februar 2020
Russland ist für Schiller ein ästhetisches Kühlhaus. Die mit Freunden geschriebene Anthologie auf das Jahr 1782 ist angeblich in Tobolsko in Sibirien gedruckt und wird mit einer Provokation eingeleitet: »Meinem Prinzipal dem Tod zugeschrieben. Großmächtigster Czar alles Fleisches, Allezeit Vermindrer des Reichs, Unergründlicher Nimmersatt in der ganzen Natur!« Die ›Schelmerei‹, poetische Blumen ausgerechnet in Sibirien zu säen, mag Schiller auch darauf gebracht haben, Russland als Ziel seiner Flucht aus Württemberg zu nennen, um seine Verfolger auf eine falsche Fährte zu locken: »Vielleicht daß ich in Berlin meinen Plan verändere, und durch Unterstüzung wichtiger Personen nach Petersburg gehe«, schreibt er im November 1782 an den Freund Friedrich Jacobi. Und noch der letzte Text, an dem Schiller schrieb, als er 1805 starb, spielt in Polen und Russland: Demetrius.
Für Fjodor Dostojewskij ist wiederum Schiller einer der wichtigsten Bezugspunkte: Der Dichter selbst und einzelne Gestalten, Situationen und Zitate aus seinen Texten tauchen in vielen seiner Romane auf. Dostojewskij lernte Schillers Werk schon als Kind kennen. Mit seinem älteren Bruder Michail las er dessen Gedichte und besuchte eine Räuber-Aufführung. Dostojewskij hat alle wichtigen Schiller-Texte in Übersetzung und Original gelesen. In seinen Romanen verknüpft Dostojewskij Schillers Namen stets mit edlen Idealen. Für viele seiner Romanhelden ist Schiller eine Art sittlicher Maßstab, ein weltlicher Repräsentant der christlichen Wahrheit.
Nahezu alle Exponate der Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne werden zum ersten Mal außerhalb Russlands gezeigt. Besonders wertvoll sind Dostojewskijs handschriftliche Zeugnisse: ein Brief an den Bruder Michail, in dem er seinen Plan darlegt, Schillers Don Karlos in Michail Dostojewskijs Übersetzung herauszugeben, frühe Manuskriptfassungen des Romans Schuld und Sühne sowie Pläne und Skizzen zum Roman Die Brüder Karamasow. In der Ausstellung werden sie ergänzt um Porträts von Fjodor und Michail Dostojewskij von Konstantin Trutowski sowie von Wassili Andrejewitsch Schukowski, in dessen Nachdichtung Dostojewskij Schillers Balladen zum ersten Mal gelesen hat. Dazu kommen Nachdichtungen von Schillers Texten auf Russisch in Zeitschriften und Almanachen sowie Erstausgaben, u.a. ein Widmungsexemplar Dostojewskijs für seinen Bruder, Dostojewskijs Brille, seine Feder, eine Kette mit Perlen aus Uraler Halbedelsteinen, die Dostojewskij für seine Nichten gekauft hat, als er aus der sibirischen Verbannung zurückkehrte, zwei von ihm gemalte Aquarelllandschaften und Illustrationen zu Dostojewskis Romanen von bedeutenden russischen Künstlern.
»Ich habe Schiller auswendig gelernt, ich redete mit seinen Worten, ich schwärmte von ihm; und ich glaube, dass das Beste, was das Schicksal mir in meinem Leben angetan hat, das war, dass es mir zur Kenntnis dieses großen Dichters verhalf […]. Der Name […] Schiller wurde für mich zu einem vertrauten, gleichsam zauberhaften Klangzeichen, das so viele Phantasien auslöste«. (Fjodor Dostojewskij)
In Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Literaturmuseum der Russischen Föderation.
Begleitfilm ›Eine freudige Begegnung‹ von Anastasia Alexandrowa, in dem sich Dostojewskij und Schiller auf experimentelle Weise begegnen:
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