
Siegfried Unseld. Ein Verleger im 20. Jahrhundert
Eröffnung: Juli 2024
Der Beruf des Verlegers ist relativ jung, der Verleger arbeitet normalerweise hinter den Kulissen seines Verlags und tritt nach außen kaum in Erscheinung. In Deutschland ist wohl Johann Friedrich Cotta (1764–1832) der erste prominente Verleger, seine Verlagspolitik prägte das geistige Klima seiner Zeit. Auch Anton Kippenberg, der von 1905 bis 1950 den Insel Verlag leitete, nahm mit seinem Engagement für klassische Weltliteratur und zeitgenössische Autoren wie Rainer Maria Rilke nachhaltig Einfluss auf Literatur und Publikum.
Nach dem Tod des Verlagsgründers Peter Suhrkamp übernahm 1959 Siegfried Unseld den Verlag. Unseld hat früher als die meisten seiner Kollegen auf wichtige intellektuelle Strömungen, Moden und ökonomische Entwicklungen reagiert und machte den Suhrkamp Verlag, den er bis 2002 leitete, zu einem Zentrum literarischer, politischer und wissenschaftlicher Debatten: Der Suhrkamp Verlag machte die Gesellschaftskritik der Frankfurter Schule populär, die Stimmen verfolgter jüdischer Autoren – etwa von Walter Benjamin, Ernst Bloch, Hermann Broch, Nelly Sachs oder Wolfgang Hildesheimer – wieder hörbar. Suhrkamp lenkte den Blick auf die Literaturen Lateinamerikas und Osteuropas. Suhrkamp prägte mit seinem wissenschaftlichen Programm den akademischen Unterricht ebenso wie die studentischen Diskussionen um 1968 und danach. Nach dem von Peter Suhrkamp übernommenen verlegerischen Prinzip: »Hier werden keine Bücher publiziert, sondern Autoren«, verstand Unseld es, ein enormes Themenspektrum abzudecken und unterschiedlichste Strömungen und Tendenzen unter dem Dach eines Verlages nebeneinanderzustellen und zusammenzuführen. Für sein ausgesprochen traditionsbewusstes und zugleich entschieden modernes Programm, seinen Anspruch, zugleich avanciert und einem breiten Publikum zugänglich zu sein, adaptierte Unseld den 1973 von George Steiner 1973 geprägten Begriff der ›suhrkamp culture‹.
Zum 100. Geburtstag von Siegfried Unseld am 28. September 2024 planen das Deutsche Literaturarchiv Marbach, in dem die über 10.000 Kästen des Siegfried Unseld Archivs seit 2010 erschlossen und erforscht werden, der Suhrkamp Verlag und die Frankfurter Bürgerstiftung im Sommer 2024 eine Ausstellung mit drei Stationen: im Deutschen Literaturarchiv Marbach, im Holzhausenschlösschen in Frankfurt a.M. und in Berlin. Den Mittelpunkt der Präsentationen soll die Villa des Verlegers in der Frankfurter Klettenbergstraße bilden, die über Jahrzehnte hinweg zu einem Ort wesentlicher Gespräche, Begegnungen und Empfänge wurde. Begleitend zur Ausstellung wird ein Veranstaltungsprogramm entwickelt, das in Verbindung zu den historischen Begegnungen in der Klettenbergstraße stehend die wesentlichen Stationen von Siegfried Unselds Lebenswerk schlaglichtartig beleuchtet.
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