Mein Jahr mit Stadelmaier

Anhörig
Von Gerhard Stadelmaier, 19. August 2016
Man konnte zu Zeiten, als die neue deutsche Feinschmeckerei langsam aber sicher in die unvermeidliche Feinschmockerei überging, sich an Speisekarten delektieren, in denen alles der »an«-Lust huldigte. Selbst die Leberwurst war damals »an« Sauerkraut, das wiederum »an« Kartoffeln sein solcherart höhergejazztes Dasein fristete. Es war da ja immer so, als sollte eine supergeschmackliche Distanz des einen vom anderen einerseits behauptet, andererseits irgendwie aber auch aufgehoben werden: insofern auch ein Spiegelbild der Gesellschaft so um die Jahrtausendwende herum. Und wem das nicht schmeckte, der konnte sich die »An«-rüchigkeit der Sache wenigstens auf der Zunge zergehen lassen. Was die Köche irgendwann bleiben ließen, pflegen jetzt penetrant die Rundfunkmoderatoren, wenn sie Konzerte ansagen. Identifizierten sie den Solisten früher noch mit seinem Instrument (»Sie hören das zweite Klavierkonzert von Brahms, es spielt Arthur Rubinstein«), nehmen sie es ihm heutzutage weg: »Am Klavier Arthur Rubinstein« (obwohl es immer noch derselbe Rubinstein ist). Als sei es ihm nicht mehr notwendig eigen gewesen, als habe er nicht Kopf und Herz für es hergegeben, als sei er nur gerade zufällig »an« ihm gesessen. Das gilt auch für andere, ansagerisch allenfalls »an der Violine« oder »an der Oboe« oder gar »an der Flöte« tätig. So trägt die Musikindustrie, die den Solisten sowieso nur als Genie-Markt-Prothese eines Events betrachtet, auch noch den öffentlich-rechtlichen Sprachsieg davon.
Die nächste Kolumne in dieser Reihe erscheint am 2. September 2016.