Mein Jahr mit Stadelmaier
Hölle und Kopftuch
Von Gerhard Stadelmaier, 25. November 2016
Szene in einem deutschen gymnasialen Klassenzimmer, irgendwo im liberal Bürgerlichen gelegen. Die muslimische Schülerin mit dem streng um Frisur und Kopf gebundenen Tuch und dem sonst ganz mit Stoff umhüllten Körper lässt der Lehrerin, die im kurzen Rock, hohen Pumps und locker umblusten Dekolleté unterrichtet, eine endzeitliche Prophezeihung zukommen: Sie, die schamlose Pädagogin, werde dereinst in der Hölle schmachten, während sie, die züchtige Gläubige, der Freuden des Himmels teilhaftig werde. Statt nun aber mit einer Antwort zu parieren, die sich derartige, eine mögliche oder auch nur vermutete christliche Religion der Lehrerin ja eigentlich au fond beleidigenden eschatologischen Anmaßungen und Frechheiten wenn nicht sofort verbäte, sondern sie gar ins überlegen Witzige umböge, so à la: »Aber unsere Hölle, in der ja die interessantesten Leute sich Rendezvous geben, ist viel amüsanter als euer Himmel, in dem durchgeknallte, dumpfbackig eiskalte Mörder in Märtyrermasken sich mit siebzig Jungfrauen herumquälen müssen, was ja auch eine interessante Strafe ist« – stottert die so offen- wie gutherzige Lehrkraft etwas von »Ja guuut, okay, so kann man das natürlich sehen«. Sie hat dem Angriff aus einem festen Glauben heraus nichts Eigenes entgegenzusetzen. Offenbar nicht einmal mehr den Glauben ans Pointenlicht der Aufklärung. Was ihr allein zu Gebote zu stehen scheint, ist der feste Glauben daran, dass alles gleich gültig – und also völlig wurscht ist.
Die nächste Kolumne in dieser Reihe erscheint am 9. Dezember 2016.