Mein Jahr mit Stadelmaier

Knecht der Bühne
Von Gerhard Stadelmaier, 2. September 2016
Jetzt, da die Theatersaison wieder loszugehen droht, und die Schauspieler, wenigstens diejenigen, die ihre Verträge mutig (manche auch nuttig) verlängern, die beste Aussicht haben, unter selbstherrlichen Spielvögten und Intendanztyrannen zu leiden und sich als Knechte der Bühne zwar schreiend und tobend, aber dann doch gehorchend allem zu unterwerfen, was ihren Sklavenszenentreibern durch die Konzeptionsrübe rauscht, werfen wir einen Blick – 170 Jahre zurück. Im »Almanach für das Königliche Hoftheater in Stuttgart auf das Jahr 1846« lesen wir: »Ein flüchtiger Blick auf die inneren Zutände aller Bühnen läßt uns leicht entdecken, daß fast allenthalben den meisten Schauspielern die ihnen gebührende Stellung als Künstler nicht eingeräumt wird; daß ihr höchstes Gut, ihr Talent nämlich, nicht in dem Dienste einer höheren Idee gebraucht wird; und endlich, daß sie mit d e m Mißtrauen, mit d e m Mangel alles Wohlwollens ziemlich allgemein von ihren Vorgesetzten behandelt werden, welches durch das Vorurtheil gegen ihren Stand Manchem nothwendig erscheint. Läßt man dem Gesagten Berechtigung wiederfahren, dann kann man auch begreifen, daß sich die Schauspieler so häufig gedrückt und verletzt in ihrem Verhältniß fühlen.« Der Almanachist schlägt vor: »Das ganze Geheimniß, um den Schauspieler in einem günstigern Lichte vor sich erscheinen zu lassen, besteht darin, daß man ihm als Mensch und als Künstler seine Berechtigung einräumt.« Die Saison 1846/47 fängt wieder mal an. Also: Vorhang auf!
Die nächste Kolumne in dieser Reihe erscheint am 16. September 2016.