Wiedersehen mit Stadelmaier

Kommen wir zum Schluss!
Von Gerhard Stadelmaier, 23. Dezember 2016
Wartet nur, balde, kommt Weihnachten. Und wir wissen alle, was da kommt: für uns Christen der Heiland und Erlöser, auf den ganz links hinten in der Krippe schon ein kleiner golgathaischer Holzgalgen als Heilsspielzeug wartet; für euch Gottlose wenigstens der Gänsebraten. Aber weder Gläubige noch Atheisten würden verlangen wollen, dass man ihnen bitte nicht verraten dürfe, was da auf sie zukomme. Sie kennen das Spiel, so oder so. Und genießen es jedes Mal aufs Neue. Es ist ja auch so, dass wir hunderte Male »Casablanca« geguckt und »Ich schau’ dir in die Augen, Kleines« und »Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen« genossen haben – ohne dass unser Wissen davon dem Genuss, der Freude (ja, den Rührungstränen auch!) Abbruch getan hätte. Und wie oft habe ich als Theaterkritiker beschrieben, wie »Hamlet« ausgeht und wie sie da am Ende alle tot herumliegen – und ich bin ebenso immer wieder hingegangen wie die Zuschauer, die alle wussten, wie es ausgeht (wenn der Regisseur denn nicht so rübenrauschblöde ist, Shakespeares Tote am Leben zu lassen). Weshalb also die dümmste aller dummen Zeitungsgewohnheiten, wenn Rezensenten den Hinweis auf den Schluss von Krimis oder Romanen mit der Floskel verweigern, »mehr sei nicht verraten« – wegen einer »Spannung«, die sich beim zweiten Lesen sowieso in Form einer reinen Wiedererkennensfreude erledigt?! Einmal muss es vorbei sein (»La Paloma«). Im Leben wie im Buch und auf der Bühne. Und in der Glosse sowieso. Und das darf ruhig verraten werden.
Dies war die letzte Kolumne in dieser Reihe.