Mein Jahr mit Stadelmaier
Schillers Mohr
Von Gerhard Stadelmaier, 11. November 2016
Es hängt ein Steckbrief von ihm aus. Und es sind statt Gelder Gurgeln auf ihn ausgesetzt
– die es kosten wird, ihn zu fangen. Denn er ist ein großer Gurgelabschneider. Der Steckbrief (»die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune«) steht im Personenverzeichnis des Dramas »Die Verschwörung des Fiesco zu Genua«. Der Sheriff, der ihn aushängt, heißt Friedrich Schiller, 1782, gerade dreiundzwanzig Jahre alt. Und er gilt einem »konfiszierten Mohrenkopf«, Mörder, Killer und Dieb namens Muley Hassan. Schwarze Haut, noch schwärzere Seele, aber heller Kopf. Dolche, Gift und tödliche Gerüchte im Gewande. Aber der ganz und gar Unethische ist ein hoher Arbeitsethiker. Er schafft was. Bis hin zu unbezahlten Überstunden. Denn er ist im rabenschwarzen Steckbrief-Reich des Schwaben Schiller natürlich ein durch und durch schwäbischer Mohr. Und als er (»Du bist ein hartgesottener Sünder. Einen solchen vermißte ich längst.«) nicht mehr gebraucht wird im Aufstiegskampf des Fiesco, Herzog von Lavagna, zieht der Mohr stolz Bilanz: »Der Mohr hat seine Arbeit getan. Der Mohr kann gehn.« Die Nachwelt aber hat dem Mohren übel mitgespielt. Sie schwärzt ihn an, indem sie ihn diskriminiert und verharmlost im hartnäckig dummdreist falschen Zitat, wenn allüberall sprichwörtelnd gemütsgesäuselt wird: »Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Der Mohr kann gehn.« Zwischen »Schuldigkeit« und »Arbeit« aber liegen die Welten, die zwischen »Schuften« und »Schaffen« liegen. So isch’s!
Die nächste Kolumne in dieser Reihe erscheint am 25. November 2016.