Wiedersehen mit Stadelmaier
Fuck you, Lessing!
Von Gerhard Stadelmaier, 17. August 2018
Im Fitness-Studio. Der junge, rosig strahlende, vor Nettigkeit schier dampfende Mannsmensch an der Theke, der die Ausweise der Mitglieder entgegen nimmt und sie mit der Computerdatei vergleicht, hat sich offenbar im lange weilenden Sommer nach dem Abitur dem Hause als Praktikant verdingt. Mit Blick auf die Zugangskarte (man pflegt in solchen Etablissement das gnaden- und distanzlose Studio-Du, als hätte man schon jahrelang die Laufband- und Latzug-Säue miteinander gehütet): »Was für ein Doktor bist denn Du?« Auf die wie immer in solchen peinlichen Fällen gequält ironische Antwort, man dürfe sich Doktor der Philosophie schimpfen und habe in Germanistik promoviert: »Und worüber denn da?« – »Über Lessing auf der Bühne, also darüber, wie und mit welchen Tendenzen und Arten und Unarten das Theater zu gewissen Zeiten den Dramatiker dargeboten und aufgenommen hat.« Worauf sich das Gesicht des jungen Mannes zu einer Entsetzensmaske verzieht. »Ey, fuck, Lessing, den mag ich nicht. Da habe ich in der Oberstufe beim ›Prinz Friedrich von Hombug‹ oder so ähnlich nur drei Punkte gekriegt.« Auf den Einwand, dass der »Prinz von Homburg« (nicht Hombug) nicht von Lessing, sondern von Kleist sei, kommt die Nachfrage, was denn der Lessing so geschrieben habe? »Na, zum Beispiel ›Nathan den Weisen‹, ›Minna von Barnhelm‹ oder auch ›Emilia Galotti‹!« Ach, ja, von der »Galotti« habe er irgendwie schon mal gehört. Abi ’18 oder: Die Rettung des Abendlands kommt ganz gut voran.