Wiedersehen mit Stadelmaier
Hai, Wal oder Grüß Gott!
Von Gerhard Stadelmaier, 5. Januar 2018
Eines der Probleme unserer Tage, die sich ungerührt ins neue Jahre hinübergerettet haben, ist und bleibt: das Grüßen. Man begebe sich nur einmal auf eine Bergwanderung, auf der einem die Heerscharen der Schwitzer und Keucher auf schmalsten Wegen entgegenstolpern. Vom angestrengten Beiseiteblicken bis zum ungefähren Brummen ist da verlegenheitspanoramamäßig alles drin. Ein alter, guter Professor hat einmal seufzend angeregt, dass seine Studenten (beiderlei oder auch ohnerlei Geschlechts) eigentlich verpflichtend ein Manieren-Grundseminar besuchen müssten, in welchem ihnen allein beigebracht würde, »Guten Tag«, »Bitte«, »Danke«, »Auf Wiedersehen« und dergleichen wie einen fremden Kontinent zu erobern. Denn sie kommen weitgehend mit »Ey!«, »Tschü!« oder »Hi!« über die Runden. Letzteres klingt wie »Hai!« und müsste zwingend beim Gegenüber einen »Wal!« zur Folge haben, hat es aber viel zu selten. Der ältere Rest der Menschheit begnügt sich mit »Hallo!«, als solle der Gegrüßte erst aufgeweckt werden. »Guten Tag« oder so ist zwar das in Restbeständen Gängige, aber es fröstelt einen immer leicht dabei. Das warme, herrliche »Grüß Gott!« dagegen wird einem als reaktionärrisch ausgelegt. Letzthin antwortete eine Arzthelferin höhnisch auf meinen dementsprechenden, das höchste Wesen süddeutsch-barock mitehrenden Gruß, sie werde ihn schon grüßen, wenn sie ihn treffe. Darauf ich: »Werden Sie sich noch wundern!« Seither gelte ich auch in den Sphären von Blut und Eiter als frommer Mensch.