Wiedersehen mit Stadelmaier

Messies Message
Von Gerhard Stadelmaier, 1. Juni 2018
Was oder wer ist eine Messie? Ein Mensch, der hortet. Was ihm zufällt. Was im Englischen eine »mess«, also eine total vermüllte Unordnung ergibt, daher der Ausdruck. Aber was ist schon in Ordnung? Wäre es in Ordnung gewesen, sich um jenes Haus hinter einem zerfallenen Zaun am Ortsausgang mehr zu kümmern, bewohnt von einer alten Mutter mit mittelaltem Sohn? Ein Haus, aus dem seit Jahren niemand herauskam? In das höchstens hie und da Scharen von Ratten hineinhuschten durch Ritzen und Löcher, die nur sie kannten? Aus dem, wenn dann doch mal ein Besorgter an der Tür klingelte, ein »Alles in Ordnung!« heraustönte? Das vor jedwedem Kontakt mit der Außenwelt tagsüber sorgsam abgeschottet schien? Dessen einer Bewohner, der Sohn, von ein paar späten Wirtshausheimkehrern beobachtet wurde, wie er es öfters nachts heimlich verließ? Wäre es in Ordnung gewesen, ihm zu folgen und zu beobachten, wie er die Abfalltonnen des Supermarkts weiter draußen durchwühlte, um heimzuschleppen, was er tragen konnte? Wäre es in Ordnung gewesen, wenn die Ordnungskräfte sich nicht erst dann gewaltsam Zugang zum Haus verschafften, als die Rattenmassen und der Gestank überhand nahmen und man drinnen den Leichnam des Mannes neben dem seiner längst völlig verwesten Mutter unter Bergen von Müll fand und die Rechtsmedizin fand, es habe kein Gewaltverbrechen vorgelegen, beide seien eines natürlichen Todes gestorben? Aber was ist schon natürlich? Dass einer, der nichts wegwerfen kann, auch den Tod hortet?