Wiedersehen mit Stadelmaier

Schubert, unerhört
Von Gerhard Stadelmaier, 3. August 2018
Ein Sommerabend in einem uralten steirischen Schloss. Mächtig, weitläufig und majestätisch auf dem Burghügel über Stadt, Land und Weinbergen gelegen. Ehemals Bischofssommerresidenz. Heute Hotel und Bildungsstätte. Zeitliche Herberge für »High motivated international students«, die in einer »Summer School of the University of Graz« sich vierzehn Tage lang in »Meditation and Mediation of Change«, in »Discussions and Lectures«, aber auch in »Creative Writing« üben, also in allgemeinstem Blabla. Dieser Sommerabend freilich sollte nicht ihnen und ihrem Lauthals-Präsenz-Zeigen, sondern der As-Dur-Messe Franz Schuberts gehören, einem hinreißenden liturgischen Jubelwerk eines highest motivated Jungkomponisten, der alle heiligen Formalien der katholischen Messe ins tollste Tanzen und Taumeln bringt. Es sang der Arnold Schoenberg Chor, es musizierte der Concentus Musicus, es dirigierte Andrés Orozco-Estrada. Übertragen wurde das aus der Barockkirche in Stainz überall ins Land hinaus auf Großleinwände in Stadien, Wirtsgärten, Parks und Marktplätzen. So auch im Garten des Schlosses. Während aber Schuberts Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei die alteuropäischen Formen von »meditation and mediation« (von »change« sowieso!) glanzvoll neu zelebrierten, ließen die Sommerschüler vor allem amerikanischer und balkanischer Provenienz sich von ihrem indolenten Bierbrüllgelächter auf der überm Garten gelegenen Schlossterrasse nicht ablenken. Schubert blieb unerhört an diesem Abend.