Letztes oder erstes Handauflegen (Fortsetzung)

Überhaupt: Hinzulegen und wegnehmen. Waren das tatsächlich die Bücher aus Kathmandu: Hatten wir nicht in jedem einen Eintrag? Wurden die inzwischen ausgetauscht? Wo waren die Spuren von Jak-Käse? Halluzinationen tibetanischer Grunzochsen. Wir reden viel, aber nicht gern. Reisen mit Rauschausmaßen: Irland, Frankfurt, Los Angeles und – nach 20 Minuten – wieder zurück. Auch Marbach war nur eine Rückflugetappe: zwei Tage fliegen. Dazwischen Isis-Cola, Rottkäppchen-Sekt und ein Kippenberg mit bewölktem Sonnenuntergang. Und eben: Kathmandu. Das Mantra dieser Bibliothek, in der alles fließt.

Es regnet viel in Kathmandu, Kleider, die man nicht trägt, setzen Schimmel an. So waren auch die Bücher mehr nass als trocken, über 60 Prozent, so dass wir sie dann zuerst einmal in die Trockenanlage des Archivs geben mussten. 24 Stunden vorher durften dann die ersten ins Museum und drei Stunden vorher brachten Kracht und Nickel noch mehr mit, aus Taschen und Jacken mit Himalaya-Duft. »Earthlings«-Karten, Helmut-Lang-Ersatz-Hemden-Knöpfe als Lesezeichen, ein Christoph Isherwood handsigniertes Buch über Vedanta, die Schilder des Redaktionsbüros und den Ausgehstock der Redakteure, zusammenschraubbar und mit dem Emblem seines vorherigen kolonialen Besitzers. Später am Abend sollte Kracht ihn dann wieder mitnehmen, als Gehhilfe zum Hotel. Auch ein Lesezeichen haben er und Eckhart Nickel ausgetauscht, das Foto der Ex verschwand in der Jackentasche des einen. Nun schauen passend Mandelaugen heraus, ein Kinderbild von Fee Asavesna, der Bangoker Freundin des anderen. »Christian nimmt ein Bild, ich gebe eines, das ist Kulturaustausch wie wir ihn schon immer praktizieren, so geht es hin und her zwischen FREUNDen Jahrein, Jahraus.«
Text: Heike Gfrereis
Die »Kathmandu-Bibliothek« von Christian Kracht und Eckhart Nickel war vom 6. November 2015 bis zum 9. Oktober 2016 in der Ausstellung »Das bewegte Buch« zu sehen.