Siegfried Unseld, der Verleger – Ein Porträt in Briefen
Pressestimmen zur Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne 14. Juli bis 8. September 2024 (Auswahl)
»Der Gang durch die Ausstellung gleicht einem Making-of der jüngeren Geistesgeschichte. (…) Man erlebt aus nächster Nähe, wie all den Säulenheiligen auf das Podest geholfen wurde. Strittig ist nur das Erscheinungsbild: ›Ich habe bei jungen Damen und Herren das Foto herumgereicht, alle waren ablehnend, von ‚doof‘ bis ‚unmöglich‘.‹ Rainald Goetz hatte für die Programmvorschau eine offenbar eher unvorteilhafte Aufnahme von sich eingereicht. Möglich gemacht hat alles Bertolt Brecht. Seine Büste steht am Anfang. Mehr als die Hälfte des Umsatzes erzielte der Verlag mit dessen Werk, die nobelste Form der Quersubventionierung. Am Ende hängt das ikonische Bild, das Andy Warhol von dem Verleger gefertigt hat.« Stuttgarter Zeitung, Stefan Kister
»Die Ausstellung (…) reißt das Fenster in die wundersame deutsche Verlagswelt der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrtausends weit auf. Viel alte BRD ist zu spüren und zu lesen. (…) Immer aber schwingt bei dieser Ausstellung das Wundern darüber mit, dass es sich hier um eine Zeit handelt, die gar nicht so weit weg ist, wie es den Anschein hat.« Süddeutsche Zeitung, Christiane Lutz
»Der legendäre Verleger Siegfried Unseld wäre diesen Herbst 100 Jahre alt geworden. (…) Die Marbacher Ausstellung wirkt in ihrer strikten Reduktion auf den ersten Blick unspektakulär. Tatsächlich aber sollte man sich für die Lektüre der in zwei langen Reihen von Schaukästen drapierten Exponate einige Stunden Zeit einplanen – es lohnt sich. ›Siegfried Unseld, der Verleger. Ein Porträt in Briefen‹, so hat Kurator Jan Bürger die Ausstellung genannt. Es ist ein so kluger wie zwingender Ansatz, den Verleger und den Menschen Siegfried Unseld im Spiegel dessen zu zeigen, was seine Kommunikation maßgeblich geprägt hat: das Briefeschreiben. (…) Da ist ein ungeheures Selbstbewusstsein, gepaart mit einem Mut, Entscheidungen zu treffen. Und da ist eine geradezu heilige Ehrfurcht vor der Literatur und ihren Produzenten, den Schriftstellern. Wobei die männliche Form hier durchaus nicht als generisches Maskulinum zu verstehen ist.« Zeit Online, Christoph Schröder
»Siegfried Unseld [legt] größten Wert auf das Buch als Gesamtkunstwerk. Das Manuskript muss stimmen, aber auch Papierqualität, Typographie und Umschlaggestaltung sollen durch ein ästhetisches Konzept überzeugen. Intellektuelle und gestalterische Arbeit auf Augenhöhe. Mit dem Designer Willy Fleckhaus entwickelt Unseld ab Ende der 1950er Jahre einen modernen Auftritt für mehrere Suhrkamp-Reihen. Die Einbände bekommen ein buntes Outfit im Regenbogen-Spektrum. 60 ausgewählte Briefe zeigt die Ausstellung im Marbacher Literaturmuseum der Moderne, die die fast 50jährige Verlagstätigkeit dieses Mannes umreißt. Das ist schlicht präsentiert (…). Doch spektakulär ist natürlich das Personal, das in diesen Briefen aufscheint und das einen ebenso aufschlussreichen wie unterhaltsamen Einblick in den bundesrepublikanischen Literaturbetrieb erlaubt.« SWR Kultur, Silke Arning
»Gelegentlich geriet ein Briefwechsel selbst zu Literatur. 2010 schon hatte der Suhrkamp Verlag die Korrespondenz zwischen Unseld und Thomas Bernhard in einem Buch veröffentlich: ein zwei-Personen-Schauspiel geradezu, auch mal tragikomisch, wenn Bernhard die aus seinen Werken bekannten Schimpftiraden auf den Verleger loslässt. Und manchmal ist es ein Beziehungsdrama, wenn der rücksichtslos egomanische Bernhard unverschämte Forderungen stellt. Unseld freilich wusste, dass der Österreicher solches Privattheater inszeniert, um produktiv zu werden. Ausdauer, Geld, Treue. Unseld hat nicht einfach nur Bücher verlegt, sondern Lebenswerke. Er unterstützte seine Autoren großzügig finanziell, bis zuletzt hoffend auf eine Rückzahlung in Form von Literatur.« Südwest Presse, Jürgen Kanold
»Die Ausstellung, kuratiert von Jan Bürger und Vera Hildenbrandt, kann aus dem Vollen schöpfen, das riesige Verlagsarchiv wird seit 2010 in Marbach aufbewahrt und der Forschung zugänglich gemacht. Kürzlich ist ein Band des ›Marbacher Magazins‹ erschienen, der sich den im DLA aufbewahrten Archivalien der Verleger Cotta, S. Fischer und eben Suhrkamp widmet. Vorhanden sind auch die privaten Belegexemplare Siegfried Unselds sämtlicher im Suhrkamp Verlag erschienener Bücher, gestempelt und von Hand fortlaufend nummeriert. Auch von ihnen ist eine kleine Auswahl im letzten von drei Ausstellungsräumen zu sehen, was das Anliegen der Kuratoren unterstützt, in der Person des Verlegers auch den Verlag zu spiegeln und umgekehrt. Denn die Bücher, nach Jahren geordnet, machen schon durch ihr äußeres Gewand deutlich, wohin Unseld sein Haus führte, wie er die Ideen des Gestalters Willy Fleckhaus unterstützte und so tatsächlich eine ,Suhrkamp-Kultur‘ ermöglichte, die man auf den ersten Blick erkannte, wenn man ihr begegnete – ein schönes Objekt der Ausstellung ist ein Brief Unseld an eine befreundete Buchhändlerin, die in ihren Regalen das Signal der seit 1963 in Regenbogenfarben leuchtenden ›Edition Suhrkamp‹-Bänden nicht so zur Geltung brachte wie gewünscht und der er dafür seine Hilfe anbot.« Frankfurter Allgemeine Zeitung, Tilman Spreckelsen
»In Marbach ist Siegfried Unselds Schreibtisch zentrales Exponat, an dem der manische Briefeschreiber daheim in der Frankfurter Klettenbergstraße arbeitete. Ein rührendes Zeugnis lebenslanger Arbeitswut und alter Technologie. Auf dem Tisch: Ablagemappen und Diktiergeräte, daneben – unter einer Haube – Nippeskram. Unseld liebte Miniaturelefanten. Ohne Dickhäutigkeit und ja, einem gewissen Machismo, wäre Unselds Alleinherrschertum nicht möglich gewesen. Andererseits wusste er um seine Grenzen und holte sich Rat. Und nicht nur Bücher wollte er machen, sondern Autoren. Wer ihn einmal überzeugt hatte, den begleitete er durch jahrelange Schreibblockaden wie Uwe Johnson. Er ertrug Erpressungsversuche wie die von Thomas Berhard oder harsche Kritik wie die von Max Frisch, der ihm vorwarf, er wolle aus dem Verlag eine Art Supermarkt machen. Die ausgestellten Brief hingegen dokumentieren, dass Unseld höflich, vertraut, werbend mit seinen Autoren umging und sich als eine Art Geburtshelfer der Literatur verstand.« Deutschlandfunk, Christian Gampert
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